Landschaftsmalerei als Erinnerung

Der ursprüngliche Gedanke der Landschaftsmalerei war sicherlich zuallererst das Abbilden einer realistischen Situation, die Beschreibung eines Ortes und dessen Besonderheiten. Ich muss jedoch zugeben, dass das nicht unbedingt mein Bestreben war und ist, wenn ich eine Landschaft male oder zeichne, auch wenn ich es natürlich durchaus gelegentlich genauso mache.

Mehrfach schon erwähnte ich, wie inspirierend ich die Landschaft des Reinhardswaldes und des Sollings finde und wie wichtig mir die Natur und der Aufenthalt darin ist. Dabei fällt mir aber immer wieder auf, wie unterschiedlich ich denselben Ort wahrnehme, wann immer ich ihn wieder besuche. Zwar bleiben bestimmte physische Merkmale gleich, aber die Wirkung und das Zusammenspiel vieler Faktoren löst unterschiedliche Wahrnehmung und Gewichtung aus. Daraus ergeben sich manchmal Veränderungen der bildlichen Realität.
Zudem gibt es ein altes, wirklich altes Gedicht mit dem Titel „The ruin“, etwa 1000 Jahre alt und aus dem altenglischen Buch Exeter, das definitiv mit in das Bild eingegangen ist.

Über die Wahrnehmung

Das finde ich spannend, deshalb gehe ich auch gerne öfter an denselben Ort und überprüfe meine Wahrnehmung.
Oft beobachte ich dabei auch Menschen, die – genau wie ich – wandern oder Fahrrad fahren, aber deren Verhalten sieht ganz anders aus – sie halten kurz an, zücken ein Handy und knipsen (anders kann man es nicht nennen) die Aussicht, wenden sich sofort wieder ab und suchen den nächsten Reiz, den nächsten Fotohaltepunkt. Sie schauen meines Erachtens gar nicht richtig hin, sie nehmen sich keine Zeit für die Stimmung des Augenblicks. Ich frage mich dann oft, was das soll… Strecke als Fotowettbewerb für die nächste Gesprächsrunde? Wo bleibt der Moment des Innehaltens, der inneren Einkehr, die Reflektion? Gleichzeitig klagen viele über fehlende Ruhe und zuviel Stress. Kein Wunder, wenn man sich in der Freizeit so unter Druck setzt, finde ich.
Wenn ich den Gedanken weiter verfolge, komme ich zu Fragen wie: Warum muss ich (beispielsweise) auf dem Jakobsweg wandern, um spirituelle Erfahrungen zu machen, anstatt im Wald meiner Region einen abegelegeneren Weg zu gehen und mich dort zu besinnen, Ruhe zu finden oder einfach nur zu atmen? Wieviele einfache, kleine Momente des Glücks, des Staunens, der Besinnung wären möglich, wenn man nicht meinen würde, nur auf dem höchsten Berg am entlegensten Zipfel irgendeines Kontinentes – oder wo auch immer – ist es dann soweit? Und da knipst man dann auch nur mal eben die Aussicht und sieht und spürt eigentlich NICHTS.

Zurück zur Malerei

Deshalb zeichne ich gerne die Natur, oder male sie, nicht immer vor Ort, aber manchmal und sonst schnell, wenn ich wieder Zuhause bin. Erinnerungslandschaften.
Im Laufe der Geschichte der Landschaftsmalerei entstanden neben Veduten auch Landschaften, die idealisiert oder heroisiert wurden, oder aufgeladen mit Symbolik, um geistige Prozesse anzuregen.
In meinen Bildern finden sich oft Teile verschiedener Wanderungen, zusammengefügt aus Fragmenten, die meine gefühlten Eindrücke spiegeln. Die genaue Abbildung einer Landschaft interessiert mich nur bedingt, da mir die Natur mancherorts so zerlegt – wie verletzt – erscheint, zerrissen durch menschliche Eingriffe, oft lieblos behandelt, ge- oder benutzt aber nicht gewürdigt…gleichzeitig birgt sie soviel Zauber, so viele Geheimnisse und Inspiration. Deshalb füge ich gerne auch mal zusammen, was in der heutigen Realität so nicht mehr existiert. Symbolische Aufladung ist gar nicht mal mein Ziel, aber wenn ich dann auf die Leinwand bringe, was sich zeigen will, ergibt es sich manchmal. Bei diesem Bild hier ergab es sich so, der einzig passende Begriff, der sich mir darbot, ist Irrgang. 60×80 cm, Öl auf Leinwand.